Der Brand des Münchner Glaspalasts

Glaspalast in München

Der Glaspalast in seiner ganzen Pracht kurz nach der Fertigstellung

Feueralarm riss die Menschen aus dem Schlaf in jener lauen Frühsommernacht, gegen halb vier heulten die Sirenen, und so mancher Münchner durfte an diesem Samstag seine Arbeit ungewöhnlich früh aufnehmen – nicht zuletzt die Vertreter der Presse, welche ja zu Katastrophen ein durchaus ambivalentes Verhältnis pflegen, bieten doch Feuersbrünste, Zugunglücke und Erdbeben die Möglichkeit, berufliche Meriten zu erwerben.

Glaspalast München

Der Grundrissplan zeigt die innere Aufteilung und auch die Außenanlagen rund um das Gebäude.

Und mit zwiespältigen Gefühlen näherte sich wohl auch ein junger Redakteur dem Unglücksort im München des Jahres 1931 – als einer der Ersten wurde er des ganzen Ausmaßes der Katastrophe in der Nähe des Hauptbahnhofs gewahr: Der berühmte Glaspalast stand in Flammen! Nur wenige Stunden später erschien ein sensationeller Augenzeugenbericht aus der Feder unseres Journalisten in den »Münchner Neuesten Nachrichten«, ein Bericht, der eine gewisse Faszination angesichts des imposanten Ereignisses nicht unterdrücken kann: »Der Blick irrt über das Feuermeer. Züngelnd schlägt es herauf, wie Brandung donnert es heran, sinkt hinunter, braust wieder empor, funkelnd, zerstiebend und verzuckend, mit breiten Zungen fressend, feige zurückgeduckt vor dem schmetternden Wasserstrahl und sofort wieder tausendfach anlaufend, höhnisch tanzend und winkend und wirbelnd.« Ja, derart poetisch vermag eine Feuersbrunst zu sein, vor allem wenn sie von einem Eugen Roth beschrieben wird!

Maximilian II. von Bayern

König Maximilian II. von Bayern hatte sich in den Londoner Glaspalast verliebt: So etwas brauchte man auch in München!

So spektakulär der Glaspalast unterging, so fulminant war er im Jahre 1854 aus der Taufe gehoben worden – Planungs- und Bauzeit dieses Projekts dürften so manchen Bauherrn unserer Tage vor Neid erblassen lassen. Nachdem Maximilian II. den Londoner Glaspalast bestaunt hatte, war dem Bayernkönig eines klar: So etwas musste auch für München her! Zum Entsetzen vieler ließ der Monarch kurzerhand im Alten Botanischen Garten den Koloss aus Eisen und Glas errichten, die vorgefertigten und aufeinander abgestimmten Einzelteile wurden an Ort und Stelle in Rekordzeit montiert, in nur neun Monaten stampften bayerische Architekten, Ingenieure und Bauarbeiter diesen kühnen Bau aus Metall und Glas aus dem Boden – eine technische und logistische Meisterleistung. Und so konnten die Münchner über den ersten kontinentalen Bau dieser Art granteln – oder ihn auch bestaunen, denn das Gebäude brauchte sich in seiner kühnen Konstruktion keineswegs vor dem englischen Vorbild zu verstecken: Die bayerische Variante maß in der Länge 234 Meter, war 67 Meter breit, und seine lichtdurchfluteten Hallen erreichten eine Höhe von bis zu 25 Metern. Ein veritabler Palast, dessen Architektur ins nächste Jahrhundert wies.

Glaspalast München

Die Eröffnung der Ersten Deutschen Industrieausstellung in neu errichteten Glaspalast war auch ein gesellschaftliches Ereignis.

Ursprünglich nur als temporärer Bau anlässlich einer Industrieausstellung geplant, erging es dem Glaspalast wie so vielen anderen Provisorien: Nun war er schon einmal da und so blieb er halt stehen! In der Folge aber konnte das Gebäude erst so richtig zeigen, was in ihm steckte. Auf Musikfesten erfüllten stimmgewaltige Sänger den Palast aus Eisen und Glas mit harmonischen Klängen, nicht ganz so wohltönende Rassehunde durften sich präsentieren, und dann konnten die Münchner immer wieder auf Blumenschauen erschnuppern, wie sich die Wohlgerüche des gewaltigen Raumkörpers bemächtigten. Durch die Jahre und Jahrzehnte zog sich ein bunter Reigen von Veranstaltungen, dessen Höhepunkt vielleicht das rauschende Festbankett bildete, mit dem im Jahr 1871 die siegreichen bayerischen Truppen gefeiert wurden.

Kunstaustellung im Glaspalast München

Plakat der 7. Internationalen Kunstausstellung München 1897 im königlichen Glaspalast

Und da nun an der Isar bereits der eine oder andere Malerfürst residierte und die bayerischen Staatsgeschäfte schließlich in den Händen eines recht kunstsinnigen Prinzregenten lagen, so konnte es nicht ausbleiben, dass schließlich Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen die Herrschaft in dem gläsernen Palast vor den Toren der Münchner Altstadt übernahmen. Ab 1888 fand dort Jahr für Jahr die Ausstellung der Münchner Künstlergenossenschaft statt, bis … ja bis sich in jener verhängnisvollen Nacht auf den 6. Juni 1931 Putzwolle selbst entzündete und der Glaspalast in einer gewaltigen Feuersbrunst unterging – und mit ihm unzählige Kunstwerke! War aber diese Katastrophe des Jahres 1931 nicht ein Fanal für das, was wenige Jahre später über München und so viele andere deutsche Städte hereinbrechen sollte? Unser Augenzeuge Eugen Roth jedenfalls hat es – viele Jahre später – so gesehen!

© Text: Dr. Markus Schreiber für interconcept
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