Auf den Mauern von Jerusalem
Am Jaffator darf man gegen Entrichtung eines mehr oder weniger moderaten Eintrittspreises auf die Mauern steigen, die seit Jahrhunderten den Kern der mehrfachen Religionsmetropole Jerusalem umgeben. Sogleich wird dem Mauerläufer eine Entscheidung abverlangt: links oder rechts, Nord- oder Südtour, im Uhrzeigersinn oder dagegen.
Der Autor wählt die Nordtour, im Uhrzeigersinn, in der Hoffnung auf der mit 1,1 km gegenüber der Südtour doppelt so langen Strecke auch mehr zu sehen. Zumindest mehr der alten Stadttore stehen bei der Nordtour auf dem Programm: neben dem Startpunkt Jaffator das Neue Tor, das berühmte Damaskustor, das Herodes- und schließlich, als Ausgang, das Löwentor. Die Südtour bietet dagegen nur das Zionstor und als Endstation das Misttor, durch welches einstmals wohl der Müll vom Tempelberg aus der Stadt geschafft wurde. Die Nordtour führt am christlichen und am muslimischen Viertel entlang, die Südtour am jüdischen. Die Bezeichnungen sind historisch, das heißt, dass die Viertel heute nicht mehr jeweils von nur einer Religionsgruppe bewohnt werden.
Beim Bummel über die gut restaurierten Mauern erlebt der Besucher Jerusalem aus ganz neuen Perspektiven: Der Blick schweift über die Dachlandschaft mit ihren unzähligen Antennen, Satellitenschüsseln und Haustechnikinstallationen. Man gewinnt Einblicke in Hinterhöfe mit wehender Wäsche, flanierende oder geschäftig davoneilende Menschen, Caféterrassen oder Gemüsemärkte. In der Ferne leuchtet, von fast überall zu erkennen, die goldene Kuppel des Felsendoms. Und wer allzu frech die Kamera auf Fußball spielende Jungs richtet, kriegt schon mal einen Kiesel nachgeworfen. Am Ende, kurz vor dem Abstieg zum Löwentor, genießt der Mauerwanderer dann den entspannten Blick auf den vielleicht schon in die Abenddämmerung hinübergleitenden Ölberg mit dem biblischen Garten Gethsemane.
© Text + Fotos: interconcept Medienagentur/ Frank Ferschen
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